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Fetthenne, eine vergessene HeilpflanzeWerbung
Johannisbräuche um die Fetthenne In so manchem Garten zieren Fetthennen mit ihren doldigen, meist rosafarbenen Blüten, die schön angelegten Beete. Als Sukkulenten sind die Pflanzen mit den fleischigen Blättern sehr robust gegen Trockenheit und machen selbst bei länger anhaltender Dürre eine gute Figur. In Bauerngärten galt die Fetthenne einst als nahezu unverzichtbar. Namen und traditionelle Verwendung der FetthenneWerbung Die Fetthenne oder auch Fette Henne trägt die lateinische Bezeichnung Sedum telephium. Unter ihr werden verschiedene Arten der Fetthenne zusammengefasst, was auch bitter nötig war. Die einstige Wertschätzung und vielfältige Nutzung der Pflanze brachte eine große Anzahl an Trivial-Namen hervor, die eine eindeutige Zuordnung alter Beschreibungen erschweren. Schon der Name Fetthenne existiert in etlichen Variationen und Abwandlungen. Zur Auswahl stehen etwa Fette Henne, Fettkraut und Fettwurzel. Sie zielen auf die dicken, fleischigen Blätter der Pflanze. Ihre schleimige Konsistenz nutzte man zur Reinigung der Schuhe. Trivialnamen wie Stiefelschmiere, Schmeerkraut, Schühsalber, Schmutzblettli und noch viele weitere entwickelten sich um diesen Brauch. Fetthenne, das WundkrautIhr Potential war damit noch lange nicht erschöpft. So kannte man sie etwa, ähnlich wie Goldrute und weitere Kräuter, auch unter der Bezeichnung Wundkraut. Eine ihrer wertvollsten Eigenschaften, die Heilung verletzter Haut zu fördern, brachten der Fetthenne Namen wie Sichelschnitt, Fingerweh oder Heil aller Wunden ein. Die Vielfalt der regional unterschiedlichen Wundkraut-Namen mag verwirren, zeigt aber, wie wichtig die Fetthenne einst als Wundheil-Pflanze war. Der Name Geschwulstkraut weist auf die Verwendung der Fetthenne gegen Drüsenschwellungen und geschwollene Glieder hin. Doch sie besitzt auch eine andere Seite. Bauern etwa betitelten die Fetthenne als Blähkraut, Kühfurz, Ochsenfurz oder Knallkraut. Derartige Betitelungen machen klar, was man über ihre Wirkung als Futterpflanze wissen muss. Andererseits galt die Pflanze wohl nicht gänzlich als unnütz für das Vieh, wie überliefert ist. Bezeichnungen wie Ochsenfacken, Bullenkraut, Stierkraut und Rammelkraut machen dies deutlich. Werbung Fetthenne, das BruchkrautNeben seiner Verwendung als Heilmittel bei Schnitt- und Stichwunden oder sonstigen oberflächlichen Hautverletzungen, galt die Fetthenne als wichtige Arznei bei Brüchen an "heimlichen Enden" wie Genitalien einst genannt wurden. Hier kam in erster Linie die knollige Wurzel zum Einsatz, deren Form an Knabenhoden erinnert. Bezeichnungen wie Bruchwurz, Bruchkraut, aber auch Knabenkraut, Buwekraut, Zumpenkraut und Knabenstock meinen unsere Pflanze. Fetthenne diente vor allem der Heilung von Hodensack-Brüchen bei Knaben und Nabelbrüchen, manchmal gar unter Zuhilfenahme magischer Elemente. Die Kraft der BlätterDeren Verwendung ließ eine Fülle von Namen wie Heilblättli, Heilblätter, Heilschade-Blätter, Halbläckli und mundartliche Variationen daraus entstehen. Als Brandkraut bezeichnet, nutzte man es zur Heilung und Kühlung von Brandwunden. Üblich war etwa eine Zubereitung aus Gerstenmehl und Fetthennensaft, die der Linderung von Brandschmerzen diente, welche von Unfällen mit Büchsenpulver herrührten. Im Riesengebirge glaubte man an die stärkende Wirkung der Fetthenne bei schwachen Gelenken und Gliedern. Vor allem schwächlichen Kindern sollten Einreibungen der Gliedmaßen mit einen Extrakt der Pflanze zu kräftigerem Wachstum verhelfen. Namen wie Gliederschmiere und Glidegängla zeugen von dieser Praxis.
Fetthenne, die FrauenpflanzeAls Mutterkraut, Mutterzwang war sie bei Heilkundigen bekannt, die das Kraut gegen Erkrankungen der Gebärmutter verwandten. Anwendungen, die zum Teil weniger auf medizinische Aspekte fokussiert waren, lassen sich aus recht drastisch anmutenden Etikettierungen ablesen. "weil es die Heimlichkeit der Weiber zusammenziehet" wie schon bei Bock zu lesen ist, hat sich Fotzzwang als hilfreich angeboten. Der Name Fotzwein bezieht gleich das Rezept mit ein. Etwas abgemildert erscheinen da Namen wie Zwangkraut und Holzzwang, die, wie man vermutet, der gleichen Anwendung geschuldet sind. Fetthenne an JohanniSchnitt man das Kraut am Johannistag, nannte man es ganz allgemein Johanniskraut, Sankt Johannskraut, Johanniskrut, Jahnskrut, Johanniskraut oder Gehonstichkraut, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Werbung Da an diesem Tag geschnittene Kräuter als besonders heilkräftig galten, gehörte auch die vielseitige Fetthenne zu den bevorrateten Pflanzen. Und dies, obwohl sie sich, wie zu lesen ist, schlecht trocknen ließ. Es gab den Brauch einige Stängel über einer Tür anzubringen oder in Wände zu stecken. Dieser Usus war getragen von dem Aberglauben, dass, wenn die Pflanze derart platziert weiter wächst, sie dem Besitzer Glück und Gesundheit beschert. Zumindest solange die Fetthenne grünt und gedeiht. Offenbar war dies so sehr verbreitet, dass in einem Fürstentum im Jahre 1669 ein Verbot dieses doch eher harmlos anmutenden Brauches ausgesprochen wurde. Fetthenne gegen UnheilDonnerkraut, Grummelblome, Donnerlauch und deren mundartliche Abwandlungen zeigen die Bedeutung der Fetthenne als Schutzpflanze. Man pflanzte sie aufs Dach oder steckte sie ins Mauerwerk. Offenbar traute man dieser kleinen Pflanze zu, über spezielle Kräfte gegen Unwetter und Blitzschlag zu verfügen. Doch möglicherweise wurzelt dieser Aberglauben in Beobachtungen der Natur. Es hieß in gewitterreichen Jahren wüchse die Fetthenne vermehrt. Klingt auch irgendwie logisch. Und durch ein Abspreizen der Blätter, so glaubte man, zeige die Pflanze ein nahendes Gewitter an.
Fetthenne für die LiebeEine Pflanze mit derart vielen Vorzügen galt schon immer auch als geeignet für Liebesorakel. Steckte man etwa am Johannisabend zwei Stängel der Pflanze in ein Gemäuer und wuchsen diese dann munter weiter, so galt das als sicheres Zeichen für eine baldige Verlobung. Diesen Brauch nannten man Braut und Bräutigam oder Freier und Braut. Legte ein junges Mädchen an Johanni ein Blatt der Fetthenne in ihren Schuh, so galt der erste junge Bursche, der ihr begegnete, als zukünftiger Bräutigam. Namen wie Schatzkraut und Liebcheskraut haben hier ihren Ursprung. Orakel um Tod und LebenAls Nachrichten rar waren, Ärzte teuer und die Zeiten unsicher, hofft man auf göttliche Zeichen, die Antworten auf essentielle Fragen liefern sollten. Fetthenne hielt auch dafür her. Als Soldatenkraut sollte es über den Zustand des in den Krieg gezogenen Angehörigen Auskunft geben. Man platzierte dazu Fetthenne am Hauptbalken des Hauses und hoffte, das er grün blieb und weiter wuchs.
In die Wände der Stube gesteckte, grün gebliebene Fetthenne, verhieß dem Besitzer Gesundheit und langes Leben. Derjenige, dessen Pflanze am längsten grün blieb, sollte dabei am längsten leben.
Heutige Verwendung der Fetthenne
Gegenwärtig besteht der Trend, mit
vergessenen Nahrungspflanzen zu experimentieren und neue Rezepte zu entwickeln.
Ob dies in jedem Fall Sinn macht, sei dahin gestellt. Bei der Verwendung von
Fetthenne als Lebensmittel zumindest, ist Vorsicht geboten.
Als Gemüse kann die Fetthenne in Maßen frisch oder gedünstet zubereitet werden.
Die Blätter schmecken säuerlich saftig nach Gurke oder Paprika. Im Frühjahr eignen sich die jungen Blätter und Triebspitzen als Salat-Zutat. Sie lassen sich auch in Öl eingelegt lagern. Im Herbst erntet man die bohnengroßen Wurzelknöllchen. Obwohl es einige Rezepte mit Fetthenne gibt, war sie doch eher als Heilpflanze in Gebrauch. Aus gutem Grund. In Mengen genossen, können sich Verdauungsbeschwerden einstellen, da die Pflanze leicht giftig ist. Fetthenne in der ForschungDie wissenschaftliche Beurteilung der pharmakologischen Wirkung verschiedener Fetthennen-Extrakte steckt noch in den Anfängen. Offenbar besteht wenig Interesse an dieser einst wichtigen Pflanze. Die wundheilenden Eigenschaften von Sedum telephium konnten im Tierexperiment bereits nachgewiesen werden. Obwohl Studien zu dieser Thematik dünn gesät sind, bestehen bereits erste Patente, welche wundheilende Rezepturen zum Inhalt haben. Untersuchungen, die sich mit der Schutzwirkung der Pflanze gegen UV-B-Strahlung beschäftigten, brachten ebenfalls positive Ergebnisse.
Wissenschaftliche Veröffentlichungen zur FetthenneLichtschutz-Wirkung von Sedum telephiumIn-vitro antioxidant and in-vivo photoprotective effect of three lyophilized extracts of Sedum telephium L. leaves. Bonina F, Puglia C, Tomaino A, Saija A, Mulinacci N, Romani A, Vincieri FF.
Entzündungshemmende Wirkung von Fetthennen-ExtraktAnti-inflammatory effects of the methanol extract of Sedum telephium ssp. maximum in lipopolysaccharide- stimulated rat peritoneal macrophages. Altavilla D, Polito F, Bitto A, Minutoli L, Miraldi E, Fiumara T, Biagi M, Marini H, Giachetti D, Vaccaro M, Squadrito F. Werbung
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